„Es begab sich aber in jenen Tagen, dass ein Befehl ausging vom Kaiser Augustus, dass alle Welt sich sollte schätzen lassen.“,

so fängt die Weihnachtsgeschichte nach Lukas (Kapital 2.1) an. Es wird offenbar, dass das die Obrigkeit die Bürger seit jeher schätzt, also taxiert.

Nun sieht aber das heutige Steuerrecht vor, dass der Steuerpflichtige Bücher zu führen und Aufzeichnungen zu fertigen hat, aus denen sich die steuerpflichtigen Einkünfte genau entnehmen lassen. Kommt der Steuerpflichtige seinen Buchführungspflichten nicht nach und ist daher die Buchführung nicht ordnungsgemäss, so ist das Finanzamt nach § 162 AO berechtigt, eine Schätzung durchzuführen.

Schätzungsanlass

Eine Schätzung setzt einen Schätzungsanlass voraus, d. h. dass die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen nicht die Qualität haben, dass man daraus die steuerpflichtigen Einkünfte sicher ablesen kann.

Das ist natürlich der Fall, wenn der Steuerpflichtige gar keine Bücher führt, keine Aufzeichnungen hat. Diese fälle sind aber unstreitig. Es geht dann nur um die Höhe der Schätzung.

Im Streit sind aber vor allem die Fälle, wo der Steuerpflichtige dem Finanzamt seine Aufzeichnungen vorlegt und das Finanzamt diese als ungenügend und fehlerhaft zurückweist. Es ist dann zu scahuen, ob die Aufzeichnungen schon formell mangelhaft sind, also gewissen Formerfordernissen nicht genügen, oder materiell fehlerhaft sind, also das was aufgezeichnet ist nicht der Wahrheit entsprechen kann.

Am häufigsten sind die Fälle, in denen das Finanzamt die Buchführung schon aus formellen Gründen verwirft. Das betrifft vor allem Kassenbuchführungen, die strengen Massstäben genügen müssen. So können bereits Lücken in den Tagesbons Anlass genug sein, die Kassenbuchführung zu verwerfen. Schon das fehlen der Bedienungsanleitung und das Protokoll über die Protokollierung sind ein formeller Mangel – und da für den Finanzbeamten nicht nachvollziehbar ist, ob hier an der Kassen „gefummelt“ wurde, wird er die Kassenbuchführung anzweifeln.

Materielle Mängel zeigt ein Steuerprüfer hingegen gern auf, wenn er anhand einer Geldverkehrsrechnung aufzeigt, dass die deklarierten Mittel nicht ausreichen, um daraus die Lebensführung zu bestreiten.

Ist dargelegt, dass die geführten Bücher und Aufzeichnungen nicht als Nachweis genügen, so ist das Finanzamt befugt zu schätzen. Das Schätzen ist eine Beweiserleichterung für das Finanzamt. Schliesslich hat das Finanzamt die steuerpflichtigen Einkünfte nachzuweisen.

Eine Schätzung ist dabei so zu führen, dass die wahrscheinlichen Einkünfte ermittelt werden. Da diese infolge unbrauchbarer Aufzeichnungen nicht genau kennt, gibt es einen Schätzungsrahmen dessen, was wahrscheinlich ist. Das Finanzamt muss sich bei der Schätzung innerhalb des Rahmens, also innerhalb des Wahrscheinlichen bewegen. Es darf sich aber am oberen Rahmen orientieren. Schliesslich soll es keinem zugutekommen, wenn seine steuerlichen Aufzeichnungspflichten verletzt. Daher sieht es die Rechtsprechung als recht und billig an, wenn ein Sicherheitszuschlag vorgenommen wird. Gerichtlich überprüfbar ist nur, ob sich das Finanzamt mit seiner Schätzung im Schätzungsrahmen, also im Rahmen des Wahrscheinlichen, bewegt. Innerhalb des Rahmen steht dem Finanzamt ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Die gängigsten Schätzungsmethoden

Es gibt verschiedene Schätzungsmethoden, denen je nach Einzelfall der Vorzug zu geben ist. Es können auch zwei oder mehrere Schätzungsmethoden kombiniert zur Anwendung kommen. Im Folgenden werden die gängigsten Schätzungsmethoden erläutert.

Äusserer Betriebsvergleich

Der externe Betriebsvergleich wird unter Heranziehung der amtlichen Richtsatzsammlung, die aufgrund von Prüfungserfahrungen gewonnene Vergleichszahlen enthält, durchgeführt. Das Finanzamt vergleicht die Kennzahlen für Umsatz und Gewinn des geprüften Unternehmens mit anderen Betrieben. Allein das Unterschreiten der in der Sammlung angegebenen Richtsätze berechtigt nicht zu einer Schätzung, da die Vergleichbarkeit mit anderen Betrieben angezweifelt werden kann und Besonderheiten des Betriebs beachtet werden müssen. Allerdings kann die Richtigkeit von Steuererklärungen angezweifelt werden, wenn

  • der erklärte Rohgewinnaufschlagsatz erheblich von den amtlichen Richtsätzen abweicht,
  • dem Steuerpflichtigen keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbleiben und
  • er sich weigert, Auskünfte zu erteilen.

Liegen schwerwiegende Buchführungsmängel vor und stehen dem Finanzamt keine anderen Orientierungsmassstäbe zur Verfügung – z.B. weil Unterlagen für eine Nachkalkulation fehlen –, kann auch ein verhältnismässig grobes Schätzungsverfahren wie die Richtsatzschätzung herangezogen werden (BFH BStBl 1982, 409; EFG 1991, 507). Dabei kann das Finanzamt durchaus an den oberen Rahmen der Richtsatzwerte gehen (FG Saarland EFG 1998, 1554). Der BFH lässt bei Richtsatzbranchen die Zurechnung eines ungeklärten Vermögenszuwachses zum betrieblichen Bereich auch ohne eine detaillierte Geldverkehrs- oder Vermögenszuwachsrechnung zu, wenn der unterste Rahmensatz des Rohaufschlages unterschritten wird (BFH BStBl II 1982, 618).

Innerer Betriebsvergleich

Der innere Betriebsvergleich ist dem äusseren Betriebsvergleich vorzuziehen. Die vom Steuerpflichtigen ermittelten Zahlen werden auf Schlüssigkeit geprüft und innerhalb des Prüfungszeitraums verglichen.

Die Nachkalkulation

Hierbei handelt es sich wohl um die am häufigsten verwendete Methode, das Betriebsergebnis zu überprüfen und ggf. zu schätzen. Sie findet vor allem Anwendung in der Gastronomie. Man unterscheidet zwischen der Ausbeutekalkulation und der Aufschlagskalkulation.

  • Bei der Ausbeutekalkulation wird der Wareneinsatz mengenmässig erfasst, in Warengruppen aufgeteilt und mit dem Abgabepreis multipliziert.
  • Bei der Aufschlagskalkulation wird ein Rohgewinnaufschlagsatz ermittelt, der auf den wertmässig erfassten Wareneinsatz angewendet wird.

Die Nachkalkulation ist sehr aufwendig, da sie eine weitgehende Aufgliederung des Wareneinsatzes erfordert, wenn mit unterschiedlichen Aufschlagsätzen gearbeitet wird und eine Vielzahl von Warengruppen im Sortiment des Betriebs sind. Ausserdem müssen Warenbestandsveränderungen, der Eigenverbrauch, Schwund etc. berücksichtigt werden.

Um das Ergebnis der Betriebsprüfung bzw. Steuerfahndung zu erschüttern, übertreiben die Steuerpflichtigen häufig mit ihren Angaben: So wird z.B. gerne der Fleischanteil in den Gerichten oder aber der zu verkraftende Schwund der Waren (Tropfbier, verdorbenes Gemüse oder Fleisch etc.) zu hoch angesetzt. Um diesen Einwänden zu begegnen, unternimmt das Finanzamt anonyme Testkäufe und wiegt die ausgegebenen Produkte mit Präzisionswaagen aus. Zudem werden hinsichtlich des Schwunds Gutachten von Sachverständigen eingeholt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat solche Testkäufe übrigens als geeignetes Mittel der Beweissicherung angesehen (PStR 05, 283).

Der Zeitreihenvergleich

Unter Zeitreihenvergleich versteht man die grafische Auswertung und Analyse betrieblicher Daten wie Wareneinkauf, Materialeinsatz, Rohgewinn bzw. -aufschlag. Es handelt sich um eine Prüfungsmethode, die die eigenen Daten des geprüften Unternehmens einander gegenüberstellt. Dabei zieht man solche Daten heran, die sich wegen gegenseitiger Abhängigkeiten gleichförmig zu entwickeln pflegen (Umsätze und Wareneinkauf).

Methodisch geht man wie folgt vor: Die wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätze werden auf Schlüssigkeit überprüft. Aus den erklärten Umsätzen und dem erklärten Wareneinkauf wird festgestellt, ob sich unterjährig über bestimmte Zeitabschnitte (mehrere Wochen) Rohgewinnaufschlagsätze abbilden, die den durchschnittlichen Jahres-Rohgewinnaufschlagsatz übersteigen. Dieser höhere Rohgewinnaufschlagsatz kann auf das ganze Jahr angewendet werden, es sei denn, es liegen betriebsbedingte Besonderheiten vor (z.B. Umstrukturierung des Betriebs, Preisveränderungen, neue Konkurrenzsituation, hohe Lagerbestände, saisonale Schwankungen).

Die Geldverkehrsrechnung

Grundlage für die Geldverkehrsrechnung (GVR) ist der Bargeldverkehr sowie der Geldverkehr auf den Bankkonten des Steuerpflichtigen. Da er innerhalb eines festgelegten Zeitraums (z.B. Prüfungszeitraum) nicht mehr Geld ausgeben kann, als ihm durch Einkünfte und sonstige Quellen zufliessen, können durch die GVR ungeklärte Zugänge ermittelt werden. Wird aufgrund einer GVR eine Gewinnverkürzung nachgewiesen, gilt dies als selbstständiger Schätzungsgrund. Ein nachgewiesener ungeklärter Vermögenszuwachs spricht für die Annahme, dass höhere Einnahmen erzielt und höhere private Entnahmen getätigt wurden.

Die Bargeldverwendungsrechnung und die private GVR sind Unterformen der GVR.
• Bei der privaten GVR unterstellt der Prüfer, dass der Steuerpflichtige alle erzielten Einnahmen nach Abzug der Aufwendungen verbraucht oder anspart. Wird ein ungeklärter Zuwachs entdeckt, spricht dies für weitere Einnahmen.
• Bei der reinen Bargeldverwendungsrechnung werden die dem Prüfer bekannten Barabhebungen von betrieblichen Konten erfasst und den tatsächlich vorgenommenen Bargeldzahlungen gegenübergestellt. Ergibt sich eine Differenz, spricht dies für bisher nicht versteuerte Bareinnahmen.

Diese Schätzungsmethode setzt voraus, dass sämtliche Konten eines Steuerpflichtigen in das Berechnungssystem einbezogen werden, um einen zutreffenden Saldo bilden zu können (BGH 04.02.1992, wistra 1992, 147).

Die Vermögenszuwachsrechnung

Hier werden nicht nur Einnahmen und Ausgaben für die Überprüfung herangezogen, sondern auch der Vermögensbestand. Lässt sich im Prüfungszeitraum das angeschaffte Vermögen nicht durch bekannte Einnahmen finanzieren, müssen bisher unbekannte Quellen vorhanden sein.

Der Chi-Quadrat-Test

Mit dem Chi-Quadrat-Test können Manipulationen in umfangreichen Zahlenwerken (z.B. Betriebseinnahmen in der Kasse) aufgedeckt werden. Man geht davon aus, dass derjenige, der falsche Zahlen in sein Kassenbuch einträgt, unbewusst seine Lieblingszahl häufiger verwendet als dies nach Wahrscheinlichkeitsrechnungen der Fall ist – nämlich jede Ziffer zwischen 0 und 9 mit einer Häufigkeit von 10 Prozent. Der Test ermittelt Differenzen im Zahlenwerk. Diese werden zum Quadrat genommen und die Summe aus diesen Quadraten durch die erwartete Verteilung der Ziffern geteilt. Liegt der ermittelte Wert über 30, soll mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 100 Prozent eine systematische Manipulation der Zahlen vorliegen.

Dieser Test liefert als Analyseverfahren keinen Beweis im juristischen Sinne, sondern lediglich Anhaltspunkte für Unregelmässigkeiten. Er kann aber zusammen mit anderen Feststellungen – mangelhaftes Kassenbuch, ungeklärte Geldeingänge bzw. Vermögenszuwächse – Zuschätzungen rechtfertigen.

Benford’scher Reihentest

Auch der Benford’sche Reihentest ist lediglich ein Analyseverfahren, das Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen bietet. Er geht davon aus, dass es mehr Zahlen mit niedrigen Anfangsziffern als solche mit einer hohen ersten Ziffer gibt. Benford ermittelte eine mathematische Häufigkeit von etwa 30 Prozent bei der Ziffer 1, 8 Prozent bei der 5 und 4,6 Prozent bei der 9. Auch die Zahlen der Besteuerungsgrundlagen folgen diesem Gesetz, sofern sie nicht manipuliert sind.

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